Noch heute hängt das überdimensionale Banner in der Fan-Kurve des Estadio Monumental in dem River Plate seine Heimspiele austrägt. „Gerechtigkeit für Gonzalo“ steht dort in Großbuchstaben geschrieben. Gemeint ist Gonzalo Acro, der 29-jährige wurde vor zweieinhalb Jahren im Zuge einer internen Barra Brava-Fehde beim Verlassen des Fitnessstudios brutal ermordet. Was in Europa für einen Skandal gesorgt hätte, gehört in Argentinien mehr denn je zum Tagesgeschäft. Am vergangenen Wochenende forderte der Kampf um die Vorherrschaft in der Kurve erneut Todesopfer. Diesmal bei Rosario Central und Defensa y Justicia. Beim Kampf um die Kurve geht es um die Kontrolle des Drogen- und Schwarzmarkthandels und All-Inclusive-Reisen nach Südafrika.
Im Stile eines amerikanischen Gangsterfilms fuhren die beiden bewaffneten Männer kurz vor Mitternacht auf ihrem Motorrad bei Juan Alberto Chaperito Bustos vor und drängten den Familienvater und Berufshooligan dazu auf die Straße hinauszukommen. Der 34-jährige folgte der Aufforderung, eine Entscheidung, die er mit dem Leben bezahlte. Fünf Kugeln trafen den Anführer von Rosario Centrals zweitstärkster Hooligan-Gruppierung, den Chaperitos, und verletzten ihn tödlich.
Auch beim Zweitligaverein Defensa y Justicia aus Buenos Aires beendeten interne Machtkämpfe am Wochenende das Leben eines Fans. Der 21jährige war nach einer Hetzjagd per Auto von seinen Verfolgern gestellt und schließlich bei einem Handgemenge erstochen worden. Der Kampf um die Kurve fordert ein weiteres junges Opfer.
Um Ruhm und Ehre geht es dabei schon lange niemandem mehr. Die regierenden Fraktionen der Gewaltbereiten sitzen gleichermaßen an den Honigtöpfen von Politik wie Unterwelt. So werden die Schlägerbanden mal angeheuert um unpopuläre Demonstrationen zu zerschlagen, mal sorgen sie als Security-Personal für den reibungslosen Ablauf von Rock-Konzerten. Die Barras kontrollieren außerdem Drogen- und Schwarzmarkthandel im und um die Stadien. Auch bei den Spielertransfers kassiert die Kurve. Alles passiert mit schweigender Zustimmung der Verantwortlichen, im Gegenzug bleibt es in den Stadien ruhig, und der regierende Vereinspräsident darf sich seiner Wiederwahl sicher sein. Man kennt und arrangiert sich.
Auch die Politik hat die Barrabravas nun für sich entdeckt. Das Präsidenten-Ehepaar Kirchner etwa lässt über die dubiose „gemeinnützige“ Organisation Hinchadas Unidas Argentinas (etwa: Vereinigte Fangruppen Argentiniens) Geld in die kriminelle Fußballszene fließen. Den Barras werden mal Flug und Aufenthalt bei der Fußball Weltmeisterschaft bezahlt, mal kommt die Bezahlung in Cash. Auch nach Deutschland flogen Hooligans von Mannschaften wie Independiente oder River Plate auf Staatskosten.
Im Gegenzug hängen die vermeintlichen Fußballfans Banner mit Kirchner-affinen Aufschriften auf den Rängen auf oder danken Präsidentin Cristina werbewirksam für ihren Einsatz für soziale Gerechtigkeit. Das ganze wird medienwirksam im staatlichen Fernsehen live gesendet. Denn seit der Verstaatlichung der Übertragungsrechte kann man sämtliche Spiele der Liga im Free-TV bewundern.
Kirchner-Funktionär Marcelo Mallo, Vorsitzender der Hinchadas Unidas Argentinas, bestreitet eine Verwicklung der Regierung: „Bei der HUA handelt sich um eine gemeinnützige die keinerlei staatliche Unterstützung erhält“, so Mallo, „wir wollen die Gewalt unter Fußballfans bekämpfen und über die Mitglieder der Barra Bravas an die Armenviertel der Stadt herankommen“.
Nun musste ein 21-jähriger das fragwürdige Prämienprinzip mit dem Leben bezahlen. Denn die Plätze für die Fußballweltmeisterschaft sind gleichermaßen limitiert wie begehrt. Für kleine Clubs wie Defensa y Justicia sind oft nicht mehr als zwei oder drei Plätze in Südafrika vorgesehen. Und wenn es auf zwei kostenlose Plätze hunderte Bewerber gibt, dann wird für einen, der in seinem Leben nie etwas anderes als die Wellblechhütten der Villas gekannt hat, unter Umständen aus dem WM-Traum ein Mordmotiv.
Etienne
Hi Leute,
ich hab eine kleine Bitte an euch. und zwar beschäftige ich mich mit einer Fußball Applikation für sowohl iPhone und Android Plattformen. Die App heisst Fußball Pro und ist natürlich gratis erhältlich.
hier ist z.B. ein link für den itunes store
http://itunes.apple.com/de/app/id338120702?mt=8
wäre ganz cool, wenn ihr die euch mal angucken wollt und mir dann schreiben würdet was ihr davon haltet.
MfG
isportsfreund
krasse sache. ich hab mich ja oft gewundert, warum im gigante arroyito im bezug auf gewalt kaum was los ist und war erfreut. nun lese ich von einem mord. es ist wohl bei jedem verein etwas los und dass die kirchners das ganze finanzieren, macht mir ehrlich gesagt angst. wer garantiert uns, dass die spiele wenigstens noch sauber ablaufen?
und weiß man, wer die mörder von bustos sind bzw. welches motiv sie hatten? welche gruppe ist denn die stärkste hooligangruppe von central?
Selbst für einen italienische Verhältnisse gewohnten Westeuropäer, ist das ja Unfassbar.
Wie Ihr schon im Editorial sagt: „Wenig dringt von alldem über den Ozean nach Europa“. Aber hiermit ist Euer wirklich gut geschriebenes blog „gebookmarkt.
Vielen Dank und man liest sich!
Danke fuer den Artikel. Was fuer Boese auf unsere Erde….aber, bitte, was ist da los? Argentinia ist ein Land in SudAmerica aber ein Land voller ehemaliger Europaer. Warum immer noch solche Korruption – auf hoechste Ebene? Und warum solche animalistiche Benehmen? USA und Canada sind auch „Neue Welt“ Laender besiedelt bei ehemaliger Europaer. Aber fast immer alles friedlich. Keine Kriminalitaet und Mord verknupft mit Sport. Nichts zu vergleichen mit diese Situationen in Buenos Aires ODER auch in Brasil. Warum so grosse Unterschied? Ein Antwort: Glauben an Jesus. In Nord America sind 17 – 19% die Leute glauben. Wirklich. Und das hat noch grosse Beeinfluss auf den Rest. Bibel lesen. And Jesus denken und von Ihm lernen. Dann sind Derbys, Spiele, Fangemeinde, Gangs, Meisterschaften, nicht nur uninteressant, auch man sieht – im klaren — wie bedeutungslos die sind. Leben hat nur Bedeutung mit Jesus. Ohne Ihn ist Leben bedeutungslos. Las uns beten das diese Argie Krimminelle nichts in SudAfrika tun.
ich möchte sie daran erinnern, dass korruption auch in europa noch existent ist. das beste beispiel im moment ist griechenland, auch italien ist nicht gerade „sauber“. viele argentinier sind italienischer abstammung, um mal eine verbindung herzustellen (was nicht unbedingt viel heißen muss, aber weil sie sich gefragt haben, warum es in argentinien besonders schlimm ist).
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