Nachdem unter der Woche Rosario Centrals Ex-Barra Brava Capo Chaperito Bustos im Zuge eines Machtkampfes zweier Hooligan-Fraktionen ermordet wurde, hat die Gewalt nun auch beim Lokalrivalen Newell`s Old Boy einzug gehalten: Roberto Pimpi Camino, früher bewaffneter Arm des allmächtigen Ex-Präsidenten Eduardo Lopez, wurde am Samstagmorgen beim Verlassen einer Kneipe im Süden Rosarios von sieben Kugeln durchsiebt. Das Ende einer typisch argentinischen Verbrecherkarriere.
Es waren bessere Zeiten für den fülligen Mann, den alle nur El Pimpi nannten: über den rot-schwarzen Teil Rosarios schwang Präsident Eduardo Lopez das Zepter. Der umstrittene Unternehmer regierte sein Königreich aus zwielichtigen Netzwerken von Politikern, Gewerkschaftern und Berufskriminellen mit eiserner Hand. Jede politische Opposition wurde durch Drohungen oder nötigenfalls rohe Gewalt niedergeschlagen. Zero Tolerance in der Provinz Santa Fe.
Mit der „Befriedung“ der oppositionellen Gruppen auf und abseits der Ränge betraute Lopez jenen Pimpi Camino, dessen Leben in den Morgenstunden des Samtags ein jähes Ende nahm. Camino machte die Drecksarbeit wo Politiker und Polizei sich keine schmutzigen Finger erlauben konnte und schuf sich so mächtige Verbündete in Amt und Würden die ihn juristisch unantastbar werden ließen. Mindestens vier Morde im Zusammenhang mit Machtkämpfen um die Herrschaft der Kurve werden Caminos Fraktion zugerechnet. Die Dunkelziffer ist wohl deutlich höher.
Doch mit dem Ende der Regentschaft des Sonnenkönigs Lopez im November 2008 endete auch das Kapitel Camino als Capo bei Newell`s. Diego El Panadero („Der Bäcker“) Ochoa war bei der Opposition als Mann für die Kurve eingeplant. Doch Camino ging nicht freiwillig: kurz vor den Präsidentschaftswahlen überfiel ein Gruppe Pimpi-treuer Barra Bravas eine der Bäckereien Ochoas und schossen dessen Schwager in den Rollstuhl. Der Einschüchterungsversuch blieb erfolglos und Oppositionskandidat Lorente gewann die Präsidentschaftswahlen.
Camino aber, wollte sich mit der neuen Rolle im zweiten Glied nicht abfinden. Der ehemalige starke Mann trommelte eine Gruppe Hooligans seines Vertrauens zusammen – unter ihnen auch seine Brüder Alberto und Juan Camino – und besetzte unter Einsatz von Schusswaffen und Knüppeln die Geschäftsstelle der Newell`s Old Boys. Wenig später wurden die Gebrüder Camino festgenommen. Die Zeit der Immunität war vorbei und El Pimpi wanderte in das Gefängnis, das er bereits in den neunziger Jahren für der Ermordung seiner ersten Ehefrau kennengelernt hatte.
Trotz wiederkehrender Niederlagen im Kampf um die Kurve und Gefängnisaufenthalt wollte Camino das Ende seiner Zeit nicht akzeptieren und so fürchtete man sich in Rosario nach dessen vorzeitiger Entlassung im Dezember 2009 vor einer neuen Welle der Gewalt im Machtkampf bei der Hinchada Leprosa . Wie sich herausstellte zu recht, denn nur zwei Monate später kam es zum letzten brutalen Coup im Leben des Pimpi Camino: nach einem Auswärtsspiel beim Club Atletico Huracan, kehrte die Barra Brava um Panadero Ochoa per Bus von Buenos Aires nach Rosario zurück. Kurz vor Ortseinfahrt gerieten die Fans unter schweren Beschuss. Der 14-jährige Walter Caceres starb bei der Attacke. Caminos Gruppierung gilt als Verantwortlich für den tödlichen Überfall.
Alles deutet beim Mordfall Camino nun auf die Begleichung offener Rechnungen hin. Doch auch Polizei und Politik stehen im Verdacht. Der Mann fürs Grobe war untragbar geworden und musste verschwinden. Eine Aufklärung des Verbrechens ist derweil unwahrscheinlich, zu gelegen kommt allen Parteien der Tod eines alten Verbrechers, der die Zeichen der Zeit nicht erkennen wollte.
Etienne
da läufts dir echt eiskalt den rücken runter, ein besseres drehbuch würde selbst hollywood nicht hinkriegen. rosario steht buenos aires in nichts nach, wie es aussieht. auch wenn es noch so schlimm ist, solche berichte finde ich gut, weil man auch mal die andere seite des fußballs in argentinien sieht. dass der typ nun auf diese weise sterben musste, war absehbar, kriminelle karriere halt.
Solche Berichte finde ich sogar extrem wichtig! Es reicht nicht, „nur“ über Fussball zu schreiben, wenn sich das Fussball- Funktionärswesen offensichtlich auf organisierte Kriminalität stützt oder sie sogar selbst organisiert und dadurch Geld abzieht. Man bereichert sich persönlich, gewinnt über das Geld an Einfluss und wenn man nachher verbrannte Erde hinterlässt, kann man noch nicht mal aus dem Land gejagt werden, weil man sich ja eine kleine Privatarmee erworben hat, geschweige denn, dass man juristisch zur Rechenschaft gezogen würde, bei den ganzen Golf-, Segel-, oder Polokontakten. Ich habe es mit grossem Interesse, aber auch Bestürzung gelesen.
Eine kleine Spitze muss noch sein: vielleicht wäre es für die Talente wirklich besser, sie flögen an Uli Hoeness` mütterliche Brust, bei solchen Verhältnissen? 😉
Danke dass Sie fuer uns darueber berichten. Mensch….haben wir nicht Jahr 2010? Was nutzt ein Gesselschaft Fluglinien, 5-Sterne Hotels, wenn so was (immer da) mitten im Geschehen ist. Krebs. Boese. So….das Begriff „Banana Republic“ ist wirklich — heutzutage — wirklich noch passable fuer Sudamericas zweitgroesstes Land? Kein Wunder dann das Argentina keine Nobeltraeger, Weltkonzerne, Medizinische Forschungs Durchbruchs pruduziert. Da herrscht immer noch zu viel Mafia ala Sicilia und Mittelalter Verhaeltnisse, oder? Vergiss nicht bitte diese Berichte an FIFA zu schicken. Hoffen wir mal dass es nicht dann in 25 Jahren wieder ein Welt Fussballereignis dort stattfindet. (Naive Fans aus aller Welt wurde dann ins Kreuzfeuer kommen….) Warum gucken alle weg? Keiner will Verantwortung richtig annehmen? Ist das nicht Argentina, Land des „Muttern des Verlorenens?“ (die spaet 1980iger Jahre) Wo sind heutzutage solche starke Frauen/Mutter?
Land Argentina: Immerhin, besser da als Sudan, Iran, Belarus, oder Burma….aber immer noch dritte Welt. (Schade)
Wie lange muessen wir warten?
Vielen Dank für Feedback und die Bookmarks.
Wir werden uns bemühen auch weiterhin aktuell über Fußball, aber eben auch die Nebenschauplätze zu berichten.
Argentinien ist ein kompliziertes Land mit einer noch komplizierteren Geschichte. Evtl. lohnt es sich, etwas differenzierter an die ganze Sache ranzugehen. Ich lebe seit einigen Jahren hier und werde jeden Tag aufs Neue überrascht, positiv und negativ.
Im Übrigen hat Argentinien fünfmal den Nobelpreis gewonnen und der Bypass wurde auch hier erfunden.
„Uli Hoeness mütterliche Brust“ war eine Vorstellung die mir gestern Nacht den Schlaf geraubt hat. Wie auch immer, eine Frage von Regen und Hennen und Traufen und Eiern.
Beste Grüße an Euch
Etienne
Ich bin mir sogar vollkommen sicher, dass sich auch ein längerer Aufenthalt/Urlaub in Argentinien lohnen würde, denn ich habe sehr viel Positives gehört. Eigentlich mein Traumreiseziel.
Über Gewalt, bzw. Mafiastrukturen verfügen Länder wie Argentinien und Italien nicht exklusiv. Die findet man leider überall.
Gewalt im Fussball, bis hin zur Erpressung eines Clubs, darf man auch in Deutschland erleben, wenn man mal genauer in unteren Spielklassen guckt (BFC Dynamo Berlin).