Der mit dem Kopf grätscht

"Todo pasa" - Franco Zuculini

"Todo pasa" - Franco Zuculini

Nach einer erfolgreichen ersten Bundesligasaison, investierte die TSG 1899 Hoffenheim auch vor dieser Spielzeit erneut kräftig in Neuverpflichtungen: neben dem Brasilianer Maicosuel und Abwehrroutinier Josip Simunic, wurde auch ein junger Argentinier vom Racing Club de Avellaneda nach Sinsheim geholt: Franco Zuculini ist 19 Jahre alt, zweikampfstark, torgefährlich und in Argentinien berühmt für einTackle der ganz besonderen Art.

„Flachköpper macht Laune“

Es ist der achte Spieltag der Apertura 2008, im vollen Estadio Monumental treffen zwei der großen Traditionsmannschaften Argentiniens aufeinander: River Plate und  Racing. Während die einst glanzvollen Millonarios im Tabellenniemandsland vor sich hindümpeln, geht es für das junge Team aus Avellaneda erneut um den Verbleib in der höchsten argentinischen Spielklasse. Schon in der Vorsaison hatte man den Ligaverbleib erst im letzten Augenblick retten können. Die Underdogs liegen zu Beginn der zweiten Halbzeit mit 2:1 vorne. Das Spiel geht hin und her, im nachhinein sollte es eine der besten Partien der Saison werden,  da rollt in der 63. Minute der Ball nach einem Zweikampf auf  die rechte Außenlinie zu. River-Verteidiger Eduardo Tuzzio und ein gerade 18-jähriger Jungspund aus Avellaneda liefern sich ein Laufduell, und als es scheint, dass Rivers Routinier zuerst an den Ball  kommt, beschließt sein Gegenspieler  ein wagemutiges Manöver: mit der Stirn voran wuchtet er sich im Tiefflug Richtung Spielgerät, kommt etwas zu spät und landet mit dem Kopf am Schienbein des Kontrahenten, der etwas überrascht zu Boden geht. Schiedsrichter Lunati zeigt die gelbe Karte, Begründung: der Spieler gefährdet sich bei der Aktion selbst. Franco Zuculini aber ist fortan der unumstrittene Publikumsliebling in der Provinz von Buenos Aires.

Debüt mit 17

El Cholo, der Musterprofi

Sechs Monate zuvor war Zucu im zarten Alter von 17 Jahren zum ersten Mal für die Academia aufgelaufen. Es war die alte Geschichte: das Team war durch schlechtes Wirtschaften in finanzielle Turbulenzen geraten, hatte viele Spieler verkaufen müssen, und das Geld für Neuverpflichtungen fehlte. Die Chance für junge Akteure wie Claudio Yacob, Franco Sosa oder eben Franco Zuculini, auf sich aufmerksam zu machen. Der Mann aus Escobar nutzte diese Gelegenheit und wurde schnell zum Markenzeichen der jungen Wilden aus Avellaneda.

Vom Flügel ins Zentrum

In den ersten Begegnungen setzte Racing-Trainer Juan Manuel Llop Zuculini auf der rechten Außenbahn ein, dort sorgte der antrittsschnelle und dribbelstarke Argentinier zwar regelmäßig für Betrieb und ließ großartige Ansätze erkennen, spielte aber zu oft ineffizient und überhastet. Trotzdem schaffte es Racing, nicht zuletzt dank Zuculini, vom direkten Abstiegsplatz in die Relegation, wo man mit einem 1:0 Sieg (Rückspiel 0:0) gegen Belgrano de Cordoba gerade noch einmal mit dem Schrecken davon kam. Nach seiner starken Debütsaison wurde der Hoffnungsträger zur Belohnung zur U20 Südamerikameisterschaft nach Venezuela berufen, doch noch vor dem ersten Spiel verletzte sich Zuculini und trat die Heimreise an. Die Academia musste ohne ihre Supertalent in die neue Spielzeit gehen und holte bis zum fünften Spieltag nur einen Punkt aus fünf Partien bei vierzehn Gegentoren. Llop musste seinen Hut nehmen, und Showman und Medienliebling Caruso Lombardi leitete fortan die Geschicke bei den Blauweißen. Im System des defensiver orientierten Lombardi spielte Zuculini nach seiner Rückkehr am achten Spieltag auf der sechs – mit Erfolg: Racing blieb in sieben der elf verbleibenden Partien zu null und rettete sich erneut vor dem Abstieg. Claudio Yacob und Zucu bildeten dabei das beste defensive Mittelfeld der Liga, der Wunderjunge hatte seine Position gefunden. Zwangsläufig horchten nun auch die europäischen Spitzenteams auf: Anfragen von Clubs wie Juventus Turin oder Villareal gingen für den Youngster ein,  und auch in Deutschland war man hellhörig geworden.

Family Affairs

Ein deutsches Tauziehen um den mittlerweile 19jährigen begann: die Protagonisten kamen aus Bremen und Hoffenheim. Es waren keine

Bruno und Franco beim Hobbykick
Bruno und Franco beim Hobbykick

Verhandlungen wie alle anderen, denn Zuculinis Vater Marcelo schaltete sich ein und ließ verlauten, dass sein Sohn nur im Doppelpack mit dessen jüngerem Bruder Bruno (17) zu haben sei. Werder Bremen machte eine entsprechende Offerte, doch die vorgeschlagene Ablösesumme war Racing zu wenig. Daraufhin gab der Hopp-Club sein Gebot ab, und wohl nicht zuletzt dank des besseren Drahts zu Zuculini-Berater Jorge Cyterszpiler, erhielt die  Turn und Sportgemeinschaft aus Hoffenheim für rund 4,5 Millionen Euro und 15% Beteiligung an einem eventuellen Weiterverkauf den Zuschlag.

Große Erwartungen

Für Zuculini ist der Sprung in die Bundesliga zu einem Club mit Perspektiven, wie dem von Hoffenheim, eine Riesenchance, und dementsprechend euphorisch äußert sich der 1,79 m große Mittelfeldspieler über seine Pläne: „Ich kann es nicht erwarten,  endlich zu spielen. Es ist toll,  in der Bundesliga zu sein, bald werde ich anfangen,  deutsch zu lernen“, sagte El Cholo bei  seiner Präsentation, und auch Trainer Ralf Rangnick war „zufrieden und stolz darauf“ ,  Zuculini in die Provinz geholt zu haben.

Schwerer Abschied von Racing

Allerdings ist aller Anfang schwer, und erfahrungsgemäß gilt das besonders für Südamerikaner in der Bundesliga: in den ersten sechs Spieltagen kam Franco Zuculini lediglich auf einen Kurzeinsatz gegen Bochum. Zuletzt absolvierte er Sonderschichten, aber Rangnick ist zufrieden mit dem neuen Mann und attestiert „große Fortschritte“. Auch Zucu sieht`s gelassen: „Die Unterschiede zwischen dem deutschen und argentinischen Fußball sind groß. Ich werde versuchen, durch hartes Training zur Mannschaft aufzuschließen“, gibt sich der 19jährige kämpferisch, „der Wechsel nach Hoffenheim war aber auf jeden Fall eine gute Entscheidung“.

Todo pasa…

Kürzlich hat sich der Mann,  der in Argentinien oft und gerne mit Javier Mascherano verglichen wird, eine Tätowierung auf dem Oberkörper zugelegt: „Todo pasa“ steht da in verschnörkelten Buchstaben geschrieben, „Alles geht vorbei“, und sollte es mit rechten Dingen zugehen, wird das auf kurz oder lang auch auf Zuculinis Reservistenrolle bei der TSG zutreffen: zuviel Disziplin, Talent und Willen vereint der Mann aus Escobar auf sich,  um schon jetzt als Fehleinkauf abgestempelt zu werden. Ralf Ragnick weiß das alles und gönnt sich deshalb den Luxus,  ihn langsam an die Mannschaft zu führen. Und spätestens dann,  wenn man einen Argentinier mit dem Kopf zuerst in die Beine seines Gegenspielers fliegen sieht,  weiß man: Franco Zuculini ist endgültig in Deutschland angekommen.

Etienne

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