Die Barra bestimmt

Nach der Niederlage am vergangenen Sonntag gegen Boca Juniors verabschiedete sich Antonio El Turco Mohamed vom Posten des Cheftrainers beim Club Atletico Independiente. An sich nichts Besonderes, der Traditionsclub aus Avellaneda leidet seit geraumer Zeit an fußballerischer Tristesse und Abstiegsangst und verschleißt Personal am laufenden Bande, nur kam die Entscheidung laut Mohamed nicht etwa vom Praesidium oder dem Vereinsvorstand: die Fans seien es gewesen die den Trainer den Job gekostet haben.

Rivers Barra

Ausschreitung auf den Raengen bei River Plate

Wo manch europäischer Fußballfan sich nun vorschnell ueber die Re-Demokratisierung des Lieblingssport freuen möchte, muss Vorsicht geboten sein: neben korrupten Präsidenten die bei Transfers abkassieren, Trainern die Geld von ihren Spielern verlangen damit sie sie aufstellen und dubiosen Beratern (die Liste ist fortfuehrbar), ist die Institution Barra Brava eines der großen Krebsgeschwuere die den argentinischen Fußball konstant daran hindern wieder auf die Beine zu kommen. Mit Mafia-Methoden wie Bestechung, Bedrohung und Erpressung, schleusen die Kriminellen ihre Mitglieder in die Strukturen der Clubs. Einmal an den Fleischtöpfen des Millionengeschäfts angekommen, brechen bittere Machtkämpfe zwischen konkurrienden Gruppierungen aus die oft mit Toten enden.

Soweit bekannt. Die eigentliche Neuigkeit ist, dass jemand aus dem Fußball-Umfeld den Teufel beim Namen nennt, denn gerade in Argentinien gilt allzu oft die Maxime „beiss nicht die Hand die dich fuettert“. Anders Mohamed: „Der Vorstand von Independiente bezahlt die Barra Brava. Sie stecken so tief drin, dass sie es nicht mehr stoppen können“, so der Trainer der noch vor einigen Monaten die Copa Sudamericana mit den roten Teufeln gewann.

“Julio Comparada (Präsident von Independiente Anm. d. Red.) kann die Barras nur aufhalten bis ihm das Geld ausgeht. Er kann nichts mehr machen, sie sind schon zu sehr im Klub involviert“, analysierte Mohamed die maroden strukturen des Traditionsvereins in einem Interivew mit Fox Sports. Es war El Turco anzumerken, dass ihm unwohl dabei war ueber die Vorkomnisse zu sprechen obwohl er beteuerte keine Angst vor den Barras zu haben: „Sie hatten mehr Macht als ich. Ich habe Respekt vor ihnen, aber Angst habe ich nicht. Es hat ihnen mir gegenueber niemals an Respekt gemangelt. Sie hätten genug Möglichkeiten gehabt mir etwas anzutun, aber es ist nie etwas passiert und ich hoffe, dass niemals etwas passieren wird“.

Das Problem die Barras in den Griff zu bekommen ist eine der grossen Herausforderungen vor denen der angeschlagene argentinische Fußball steht, denn selbst Vereinsfunktionäre mit noblen Absichten (eine äußerst seltene Spezies) haben kaum eine Möglichkeit einen Klub zu sanieren, wenn Gewalt und Kriminalität die Spielregeln bestimmen. La pelota si se mancha.

3 Antworten zu “Die Barra bestimmt

  1. André (El Canalla)

    Tja, so ist das eben mit den Geistern die man ruft. Erst ist nur alles nur recht und billig um mit Hilfe der Barras an die Macht zu kommen, und dann fliegen einem früher oder später die Leute um die Ohren mit denen man sich eingelassen und alles fein gekungelt hat.
    Der Teufel läßt sich nun einmal nicht mit dem Belzebub austreiben.
    Im Grunde kann da nur die Politik Abhilfe schaffen, die ein Gesetz formuliert, welches ganz spezifisch auf dieses Problem zugeschnitten ist und diese Leute im Endeffekt hinter Schloß und Riegel bringt. Immerhin ist ja meinem Wissen nach Erpressung, Korruption, Gewalt & Nötigung ein schwerer Straftatbestand und muß entsprechend geahndet werden.
    Hierbei könnte man sich beispielsweise an England orientieren, die ihr Hooligan-Problem auch mit drakonischen Strafen in Grundzügen in den Griff bekommen haben, wenn auch zum Leidwesen aller Fans (Versitzplatzung der Stadien). Und in Italien wurden auch vor Jahren entsprechende Gesetze zur Mafiabekämpfung verabschiedet.
    Ich denke, wo ein Wille ist, da ein Weg; aber wenn von vornherein schon einmal der Wille und die Mittel fehlen…

  2. asi es la vida…en argentina

  3. Pingback: Bombendrohung in der Schule – Independientes Barra geht weiter auf Konfrontation | Argentinischer Fußball auf Deutsch

Hinterlasse einen Kommentar