One-Night-Stand: auf den Rängen River Plates

Nach einer langen Sommerpause meldet sich argifutbol wieder mit einem Gastbeitrag vom Spiel der Spiele, dem Superclásico zurück. Direkt aus der Kurve schildert „Fremdgeher“ Matthias Reynders seine Erlebnisse im Feindesland.

1382359_10201094091527762_315629787_n

Foto: P. Ricardo Photography

Eigentlich bin ich ja Sympathisant von Boca Juniors. Aber aufgrund des aktuellen landesweiten Verbotes von Auswärtsfans, musste ich mich nun Undercover hinter feindliche Linien begeben. Mein Kumpel und River Fan sagte mir:

“Zieh’ was Rotes an, River startet ‘ne Aktion! Alle Fans sollen in rot-weiß kommen!”

Rot-weiß? Nichts leichter als das! Spielte doch meine große Liebe daheim, die Düsseldorfer Fortuna von 1895, in selbigfarbiger Kluft wie der ungebliebte Rivale meiner Boca Juniors hier in Buenos Aires – andere Länder, andere Sitten. Und sogar der Brustring meines Trikots machte mein Outfit zum idealen Alibi – und Fremdgehen soll ja Spaß machen!

Wir trafen uns auf ein paar Bier bei einem Freund und schon dort lief Fußball auf zwei Kanälen. Auch auf der Straße war der Superclásico allgegenwärtig, im Supermarkt um die Ecke bediente der Obstverkäufer mit blau-gelb bemaltem Gesicht. Sofort bat ich um ein Foto: das Spiel elektrisiert.

Mit einer Flasche Quilmes Bier ging es Richtung U-Bahn, die uns weiter Richtung Norden nach Núñez bringen sollte, unser Ziel: das altehrwürdige El Monumental. Umgerechnet 63 € hab ich mir die Karte kosten lassen, das ist gerade mal die Hälfte von dem, was ich im Mai 2011 für den Superclásico in der Bombonera bezahlt hatte. “Popular” sagte unsere Karte, in der Kurve also. Bevor es ins Stadion ging, wurde dem Ordner bei der “Kontrolle“ noch schnell ein obligatorisches High-Five gegeben. Da hab’ ich mir auch nur gedacht, ob nun ein Heimfan mit Pyro und Drogen ins Stadion geht oder, ob man Auswärtsfans den Zutritt gewährt, ist doch Jacke wie Hose.

Kurz darauf kamen wir den Trommeln und Gesängen auch schon näher. Am Drehkreuz wurden noch die letzten Fans mit gefälschten Karten rausgewunken, unsere 500 Pesos waren zum Glück in Originale investiert.

1381261_10201094115208354_1868915473_n

Foto: P. Ricardo Photography

Satte 75 Minuten vor Spielbeginn fanden wir uns auf der Tribüne wieder und machten erstmal den besten aller Plätze klar. Was wir zu diesem Zeitpunkt nicht wussten: Dieser Platz war für die Barra Brava reserviert. Genau eine Stunde später sollten hier K.O.-Lanzen gekifft, Nasen weiß gepudert und Hochprozentiges vernichtet werden. Bevor man uns in freundlichem argentino sagte, wir mögen uns doch bitte “weiter nach oben verpissen”, drückte uns ein Mitglied der hinchada, der Fanszene, einen Haufen Fahnen in die Hand mit der Aufforderung diese nach oben zu verteilen, nach Möglichkeit sollte ein Jeder eine erhalten.

Das Warmsingen verlief recht ordentlich und als zuweilen das ganze Stadion hüpfte und darauf wartete “seinen besten Freund – River, mi buen amigo“ zu empfangen, war man schon recht beeindruckt, ob der Stimmgewalt des Rekordmeisters.

Ich persönlich hatte mich ja auf eine XXL-Portion Pyro gefreut (ist nämlich kein Verbrechen, lieber DFB), aber außer ein paar wenigen Rauchfackeln beim Einlauf war nicht mehr drin, schade. Die rot-weißen River-und blau-weißen Argentina-Fähnchen erschufen ein herrliches optisches Bild und als beim Einlauf der Heimmannschaft die Tribüne im Konfettiregen ertrank und aus voller Kehle sang, wurde uns endgültig klar, dass wir im Superclásico angekommen waren.

Die Anfangsphase zeigte, dass die Partie für argentinische Verhältnisse recht ansprechend anzuschauen war. Mit Einschalten des Flutlichts in der 23. Minute knipste Emanuel Gigliotti nach Hereingabe von “Burrito” Martínez für die Bosteros, ein Jubelschrei war jedoch nicht zu vernehmen.

[youtube http://www.youtube.com/watch?v=x1L8UWPJpcs]

Keine Sekunde nach dem Gegentor zur Führung Bocas wurde mit ohrenbetäubenden Gesängen das eigene Team nach vorn geschrien, als hätte man gerade eine Großchance vergeben. Das habe ich in dieser Form noch nie erlebt. Obwohl ich als Bostero wenig bis gar nichts für River Plate übrig habe, musste ich hier schon meinen Hut ziehen, das war stark!

Im weiteren Spielverlauf ergaben sich einige erstklassige Gelegenheiten zum Ausgleich, was die River Fans immer weiter dazu motivierte, noch lauter zu singen. Der eigene Treffer war ihnen trotzdem nicht vergönnt. Mittelfeldstratege Ponzio und der eingewechselte Stürmer Mora trafen beide aber nur Aluminium.

[youtube http://www.youtube.com/watch?v=WK-S-2t0HMk]

Ich hatte schon ein mulmiges Gefühl bei dem Gedanken, was bei einer Niederlage passieren würde. Gerade ich als erkennbarer Rubio (Blonder) wäre als eigentlicher Fußballtourist leicht auszumachen gewesen und bei jedem skeptischen Blick der Barramitglieder versuchte ich mich in der Menge hinter Köpfen und Fahnen zu verstecken. Zu meiner großen Überraschung sang die ganze Tribüne bis Minuten nach Abpfiff und beklatschte (!) sogar das eigene Team, das geknickt den Platz verließ, während sich der gesamte Kader der Xeneizes am Mittelkreis in die Arme fiel.

Unschön sollte es trotzdem werden: links von uns begann eine Schlägerei mit ca. 20 Personen, unter ihnen ein Fan, der wie ein gehetztes Tier über die Tribüne getreten wurde. Seine Jacke war blau. Zudem bewarf die Haupttribüne die Auswechselspieler der Boca Juniors mit leeren Bechern, Feuernzeugen und was sonst noch alles groß oder hart genüg wäre, um dem verhassten Feind eine bleibende Erinnerungen im Gesicht mitzugeben. Ausschreitungen nach dem Spiel blieben aus. Ruhig und gesittet verließ die Menge das Stadion.

Zu Hause fiel ich totmüde ins Bett und ließ den Tag Revue passieren. Die Passion, der Hass, die Liebe, die Gewalt rund um dieses Spiel war eben etwas Einzigartiges. Da sag mir nochmal einer, es sei nur ein Spiel. Ne, ist Fremdgehen ja auch nicht.

 Text: Matthias Reynders

14 Antworten zu “One-Night-Stand: auf den Rängen River Plates

  1. Das mit den Kontrollen find ich ja krass..Als ich beim Testspiel (!) Estudiantes gegen Atlético Madrid in La Plata war, wurden meiner Freundin sogar Sachen wie Kugelschreiber aus der Handtasche genommen…

  2. 500 Pesos -> 63€?
    Hast du deine Euros an der Bank gewechselt? 😀

  3. „Was wir zu diesem Zeitpunkt nicht wussten: Dieser Platz war für die Barra Brava reserviert.“ Mache mir langsam echt sorgen um das Niveau eures Blogs…

  4. Als echter Bostero kann ich nicht anders, als mich von diesem falschen Bostero zu distanzieren. Welch eine Schande für unseren großen Klub! Wird nicht als Bostero erkannt und ist auch noch stolz drauf. Ich hingegen habe mir am Tag nach dem superclásico (qué triunfazo!) heldenhaft sämtliche River-Fans in der Stadt vorgeknöpft. Also, ähm, in der Schule, meine ich, also die River-Lehrer in der Schule, also mein Sohn hat sie sich vorgeknöpft. Aber ich stand voll dahinter.Wer weiß, wann wir das nächste Mal gewinnen.

  5. weiß jemand ob messi heute nacht spielt????ßßß

  6. „321 | 9. Oktober 2013 um 1:09 nachmittags |
    “Was wir zu diesem Zeitpunkt nicht wussten: Dieser Platz war für die Barra Brava reserviert.” Mache mir langsam echt sorgen um das Niveau eures Blogs“

    „…mit einem Gastbeitrag vom Spiel der Spiele, dem Superclásico zurück. Direkt aus der Kurve schildert “Fremdgeher” Matthias Reynders seine Erlebnisse im…“

    Ich mache mir da ganz andere Sorgen 😉

  7. max wer wechselt denn hier noch pesos in der bank 🙂

  8. wenn einer karten braucht für boca games melden bitte

  9. boca boy, du hast mein offenes ohr für karten! wie kann ich dich erreichen?

  10. mr 17 ……maximum 2 tickets pro game habe ich zum verkauf.. 4 bekomme ich 2 brauche ich 🙂
    …….bist du hier in BsAs? o ind old germany?

  11. bin in BsAs, recoleta. können wir via PN kommunizieren?

  12. recoleta??????????????? jajajjajaaaa ich auch in nähe av santa fe
    ja können wir machen

  13. ja, ich auch.
    schreib mir eine email: matthias@fcbafa.com

  14. sorry, vergessen: matthias@fcbafa.com.ar
    wäre cool, wenn du dich bald meldest 😉

Hinterlasse einen Kommentar