Wundertüte Tigre: Von der grauen Maus zur Überraschungsmannschaft Argentiniens

Der kleine Klub aus dem Flussdelta zu Tigre hat gestern ein neues Kapitel in seiner Vereinschronik aufgeschlagen. In der 110-jährigen Klubgeschichte qualifizierte sich „el Matador de Victoria“ erstmals für ein Halbfinale eines internationen Turniers. Und noch mehr: Weil der andere argentinische Vertreter, Independiente de Avellaneda, gegen Universidad Católica ausschied (2-2, 1-2), ist CA Tigre als letzter argentinischer Vertreter automatisch für das Champions League-Pendant, die Copa Libertadores, qualifiziert. Dabei galten die Argentinier, die in der Liga nach 12 Spielen sieglos auf dem vorletzten Tabellenplatz stehen, im Vorfeld des Turniers als krasser Außenseiter. Im Achtelfinale war man gegen Deportivo Quito eigentlich schon ausgeschieden, angetrieben von der heimischen Kulisse überrollte man den Gegner in den Schlussminuten regelrecht und triumphierte noch mit 4-0. Im Viertelfinale wartete mit dem 29maligen paraguayischen Meister Cerro Porteño erneut ein starker Gegner, doch nach einer 90-minütigen Achterbahnfahrt der Gefühle setzte sich Tigre spekatakulär mit 4-2 (0-1 Hinspiel) durch. Wir schauen uns den Klub aus dem Flussdelta etwas genauer an.

Wenn man an den Club Atlético Tigre denkt, dann grübeln selbst Kenner des fútbol argentino, ob die Mannschaft derzeit erste oder zweite Liga spielt. Die Rotblauen aus dem Norden der Hauptstadt waren nie eine Mannschaft, die die Massen zu begeistern wusste. Keine Stars, wenig Skandale, ein ruhiges Umfeld inmitten des idyllischen Flussdeltas. Doch schon immer war Tigre ein sehr beliebtes Ausflugsziel der Porteños, wodurch sich die eigentlich so graue Maus mit einigen bekannten Fans brüsten darf. Neben seiner großen Liebe, den Boca Juniors, drückt der legendäre Spielmacher Roman Riquelme für Tigre die Daumen, so auch die in Argentinien sehr populäre Tennisspielerin Gisela Dulko und auch in der politischen Riege gibt es sehr viel Sympathisanten. Der Bekannteste unter ihnen ist der bereits verstorbene Juan Perón, ehemals Präsident von Argentinien.

Der ertrunkene Milchmann

Doch sportliche Erfolge blieben stets aus, sodass die Aufstiege in die höchste Spielklasse gemeinhin als ehrwürdigste Erfolgserlebnisse gefeiert wurden. Vielmehr war CA Tigre im Volsmund viele Jahre als der Klub des ertrunkenen Milchmanns, el club del lechero ahogado, bekannt. Das damalige Stadion lag in einem Sumpfgebiet nahe des Flussdeltas und der Legende nach, wollte ein Milchmann an einem Tag mit schweren Regenfällen das Spielfeld mit seinem Milchkarren überqueren, blieb jedoch mit seinem Karren auf halber Strecke stecken. Als das Wasser immer höher stieg, wollte sich der Milchmann zu einer sichereren Stelle retten und ertrank beim Durchschwimmen des Flusses. So haftete dem Klub jahrelang dieser makaber anmutende Titel an.

Turbulente Jahre in der Primera División

Aus dem Schatten der fußballerischen Bedeutungslosigkeit verhalf ihnen einer der schillerndsten Trainerfiguren Argentiniens. Unter der Leitung von Richard Caruso Lombardi legte Tigre eine astreine Aufstiegssaison ohne Niederlage hin. 2007 und 2008 verpasste man jeweils knapp die Meisterschaft, danach zeigte die Formkurve wieder nach unten. In den letzten Jahren kämpfte Tigre stets gegen den Abstieg, wurde zur Rückrunde Anfang des Jahres als klarer Absteiger gehandelt, rettete sich schließlich aber mit einer spektakulären Saison, die man gar als Vizemeister beendete.

Foto: Guille Rusconi

Die Vizemeisterschaft galt aber nur das Zubrot, in Tigre jubelten sie, weil sie dem Abstieg am letzten Spieltag entrinnen konnten. Doch erlaubte die errungene Vizemeisterschaft die Teilnahme an der Copa Sudamericana. Dort trat man bisher nur in 2009 an, um sich in der ersten Runde gegen San Lorenzo nach Auswärtstoren (2-1, 0-1) schnell wieder zu verabschieden. Auch dieses Mal rechnete man sich am Flussdelta keinerlei Chancen aus, gerade weil man vor Saisonbeginn alle Schlüsselfiguren ziehen lassen musste: Torschützenkönig Carlos Luna nahm auf der Bank von River Plate platz, Román Martinez wurde Nachfolger von Verón bei Estudiantes und Diego Morales nahm die sportliche Herausforderung beim Schaulaufen für die Scheichs in Al-Ahli Dschidda an.

Youngsters Botta und Santander ebnen den Weg ins Halbfinale

Beim gestrigen Rückspiel gegen Cerro Porteño, die im Achtelfinale bereits Colón zweimal schlugen, musste man nach der 0-1 Auswärtssiegniederlage auf jeden Fall gewinnen. In einem tempo- und chancenreichen Spiel traf Tigres Mariano Echeverría früh zur Führung, obwohl die Gäste um Rekordspieler Julio dos Santos (Ex-Bayern München) eigentlich die bessere Mannschaft stellten und viele Chancen aus Pech, Pfosten und Unvermögen liegen ließen. Tigre hingegen präsentierte sich hellwach und eiskalt. Die Youngster Rubén Botta (22) und Federico Santander (21) legten jeweils für den anderen auf und Tigre führte nach 52 Spielminuten gar mit 3-0. Die Gäste kamen aber nach Toren von Salcedo (Ex-Lanús) und Fabbro nochmal auf 2-3 heran und wären mit dem Ergebnis weitergewesen, wenn Donatti nicht eine Viertelstunde vor Schluss den 4-2 Endstand markiert hätte. Nach Platzverweis für den bärenstarken Botta mauerte sich Tigre in den Schlussminuten schließlich zu zehnt ins Halbfinale.

CA Tigre scheint in der Copa auf einer Erfolgswelle zu reiten. In den drei Heimspielen schossen sie ganze 12 Tore, also zwei mehr als in 12 Ligaspielen zusammen. Die starke Heimbilanz (4-1, 4-0, 4-2) könnte das Faustpfand für den nächsten Schritt sein: Finale. Der Halbfinalgegner steht indes noch nicht fest, weil das Rückspiel der Partie Millonarios – Grêmio Porto Alegre (Hinspiel 0-1) erst nächste Woche ausgetragen wird. Jedoch spricht vieles für den brasilianischen Vertreter Grêmio, der mit einigen Altstars wie Zé Roberto, Gilberto Silva, Elano und Fábio Aurélio aufwarten kann, letzterer fällt wegen eines Kreuzbandriss jedoch weiterhin aus. Die andere Halbfinalpaarung ist Sao Paulo – Universidad Católica.

3 Antworten zu “Wundertüte Tigre: Von der grauen Maus zur Überraschungsmannschaft Argentiniens

  1. Jaaaaa, 3:0, 4:0 könnts schon werden, auch ohne Higuain und Gago. Dann werden Messi und Kun die Tore machen, jeder zwei. Dank der beiden ( und ihrer Frauen) ist ja nun auch der Nachwuchs des argentinischen Fußballs gesicht: Benjamin Agüero – Maradona und Thiago Messi!!!
    Übrigens hat eines der argentinischen Talente die hier mal vorgestellt worden sind, in der Serie A am letzten Spieltag 2 Tore für Palermo geschossen: Pablo Dybala. Und Erik Lamela hat bereits sein 8. !!! Saisontor geschossen.

  2. Pingback: Inter Mailand bald mit argentinischer Startelf? | Argentinischer Fußball auf Deutsch

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